Lean Selling – mehr Verkauf mit weniger Aufwand
“Lean Management” als Methode in der Beratung hat viel Aufmerksamkeit durch Lean Manufacturing und Lean Production auf sich gezogen. Aber welche Erfahrung gibt es mit Lean Methoden im Verkauf und Marketing?
Tatsächlich machen die Marketing- und Vertriebskosten oft 40-60% vom Endpreis aus. Hier sind große Potentiale zur Steigerung von Ertrag und Kundenzufriedenheit verborgen.
Lean Selling steigert den relevanten Wert für die Kunden im Verkauf und Absatz. Dazu werden fünf Prinzipien methodisch verfolgt und umgesetzt.
1. Welchen Nutzen wollen unsere Kunden von uns kaufen?
Der erste Schritt für Lean Selling besteht darin, genau zu definieren, was der Kunde als Nutzen betrachtet. Dies gilt sowohl für die Endkunden, als auch für die internen Kunden, wie die Produktion oder der Versand.
Auf die Wertfrage antworten viele Manager mit einer Aufzählung der Produkte oder deren Vorteile. Produkte können Nutzen erzeugen, aber sie sind nur Mittel für die Erreichung von Kundenzufriedenheit. Erst eine exakte Beschreibung aller werthaltigen Attribute aus der Sicht des Kunden – nicht der Manager oder Ingenieure – liefert eine klare Antwort.
Im Lean Selling bedeutet “Wert liefern” zum Beispiel, daß die Kunden das Verkaufsgespräch als nützlich erleben, der persönliche Vorteil klar kommuniziert wird, die Bestellung einfach abläuft und die richtigen Produkte und Dienstleistungen lieferbereit in der richtigen Version verfügbar sind.
2. Welcher Prozess produziert messbaren Wert für die Kunden?
In der Praxis sehen wir, dass ein großer Anteil der Absatzaktivitäten nicht der Wertsteigerung dienen. Verkäufer verbringen oft weniger als 20% ihrer Zeit mit Kunden. Was in Gottes Namen tun die denn wirklich? Die 8 Formen der Verschwendung im Vertrieb sind hier gelistet:
1. Überaktivität – z.B.: Masse an unqualifzierten Leads, unfokussierte Angebote
2. Bestände – z.B.: offene Angebote, wartende Aufträge
3. Transport – z.B.: zuviele Schnittstellen, zu komplexe Kalkulation
4. Wartezeiten – z.B.: am Telefon, auf Kalkulation, Lieferverzug
5. Über-Prozessieren – z.B.: Hoffnungsangebot, über-engineerte Lösungen
6. Bewegung – z.B.: unnötige Besuche, Kaffeetrinken, Doppelarbeit
7. Fehler – z.B.: Bedarfserhebung, Rabatte, Abnahme
8. Falsche(s) Produkt/Lösung – z.B.: verfehlter Bedarf, falsche Lieferung
Dies sind alltägliche wert-vernichtende Aktivitäten. Diese Verschwendung wird tatsächlich produziert, aber die Kunden sind nicht bereit dafür zu bezahlen. Daher ist es erforderlich, dass ein Best Practice-Standardablauf festgelegt und ständig verbessert wird.
Denn, jeder Prozess ist weiter verbesserbar. Wer aufhört, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen, fällt im Wettbewerb zurück. Dies gilt genau so und oft mehr im Vertrieb und Absatz als in der Produktion. Dabei ist zu beachten, dass manche Aktivitäten unvermeidlich sind, obwohl nicht wertschöpfend, wie z.B. die Dateneingabe oder die Buchhaltung.
Aber, das Ideal ist ein “Wertstrom,” wo jede Aktivität messbaren Nutzen für den Kunden schafft. Im “Value Stream” fügt jeder Schritt – von Produzent, über Distributor, Großhändler, Händler bis Verkäufer – messbaren Nutzen hinzu. Und nur diesen Nutzen will der Kunde bezahlen.
3. Wie schaffen wir einen kontinuierlichen Prozess-Fluss?
Der durchgängige Fluss – engl. “Flow” – liefert dem Kunden in kürzester Zeit, zu den geringsten Kosten, über den richtigen Channel, das richtige Produkt, zum richtigen Preis. Hier “fließt” das Produkt oder die Dienstleistung ohne Unterbrechung oder Wartezeit zum Kunden.
In der Praxis scheitern Prozessoptimierungen daran, dass einzelne Funktionen ohne Verbindung zu benachbarten Abteilungen ihre Aufgaben suboptimieren. Zum Beispiel, Marketing und Vertrieb sprechen nicht miteinander und scheinen zwei unterschiedlichen Firmen anzugehören. Der Kundenservice lebt wiederum auf einem anderen Planeten. Übrig bleibt der Kunde, der immer wieder seine Daten angibt und als einziger alle drei Bereich kennt.
Die Lösung besteht in der engen Verzahnung aller Prozess-Schritte. Damit werden Fehler vermieden oder sofort erkannt und alle Beteiligte ziehen an einem Strang zur raschen Lieferung der Kundenleistung. Die gemeinsame Teamarbeit führt damit zu höherer Produktivität und verbesserter Kundenzufriedenheit.
4. Wie sorgt ein Pull-System für effiziente Bedarfserfüllung?
Vor der Lean Revolution wurden riesige Lagerhäuser errichtet, um für jeden Kundenbedarf gerüstet zu sein. Diese Verschwendung hat sich als unprofitabel erwiesen.
Heute sorgen flexible und rasch agierende Pull-Systeme für die Nachlieferung für den Bedarfsfall. Wie das Beispiel DELL eindrucksvoll zeigt, startet erst der konkrete Kundenbedarf den Prozess der Bedarfserfüllung. Alle vorgelagerten Aktivitäten werden durch den “Pull” des jeweilig vorgelagerten Kunden ausgelöst.
Die Vorteile des Pull-Systems sind geringere Lagerbestände, bedarfs-orientierte Erzeugung und hohe Umschlagshäufigkeit mit einhergehender Schaffung freien Cash Flows. Das Wichtigste aber: Kunden erhalten genau das, was sie wollen – nicht mehr, aber auch nicht weniger – zum besten Preis.
5. Wie können wir das Streben nach Perfektion für unseren Erfolg nutzen?
Um sich an das letztendliche Ziel im Lean Selling – der Perfektion – anzunähern, müssen alle Beteiligten an der ständigen Verbesserung der Wertschöpfung teilnehmen. Es reicht nicht, wenn ein paar Manager oder Ingenieure Ideen haben.
Erst das kontinuierliche Streben nach besseren Lösungen und praktischen Innovationen für jeden Schritt im Kundenprozess führt zu diesem Ziel. Die Umsetzung dieser ständigen Verbesserung braucht die ganze Motivation und das volle Verständnis aller Mitarbeiter: Produktentwicklung, Marketing, Werbung, Vertrieb, Innendienst, Außendienst, Kundendienst, Call Center, Versand, etc.
Lean Führung und Lean Selling sorgen für Transparenz, klare Richtlinien und Prioritäten, damit JEDEM im Unternehmen ganz klar und verständlich ist, was für den Kunden Wert hat und wie dieser Nutzen immer weiter verbessert und gesteigert werden kann.
Warum wird Lean Selling dennoch selten umgesetzt?
Die Vorteile von Lean Selling sind nachvollziehbar. Der Nutzen des Lean Management im Absatz ist leicht zu messen. Der Ertrag aus der Umsetzung des Lean Marketing ist beweisbar. Dennoch: Es gibt große Barrieren diese Lean Prinzipien in die Realität umzusetzen.
Ein globals Beispiel: Obwohl General Motors viele Jahre mit Lean Management experimentierte, wurde der Durchbruch nie geschafft. General Motors gab die Weltführerschaft im Automobilmarkt an Toyota ab. Dagegen ist Porsche mit Lean Production eine große Erfolgsstory.
Mit Lean Selling ist es ein wenig wie mit körperlicher Fitness: Jeder weiß was es braucht, um gesund zu sein. Das Tun aber entscheidet.
Jene, die Lean Selling realisieren, gewinnen Marktanteile, verbessern ihre Erträge und steigern die Kundenzufriedenheit. Sind Sie dabei?
Fragen und Anregungen über Lean Selling an asattlberger@lean-works.com