Lean Methoden werden in vielen Betrieben eingesetzt. Die Methoden versprechen die Leistungsfähigkeit der Prozesse und Ergebnisse zu verbessern. Die Verbesserungen sollen dann anhand der relevanten Kennzahlen, wie Qualität, Produktivität, Liefertreue, Sicherheit, Kosten, Erträge und so weiter messbar werden.
Leider aber können die wirtschaftlichen Ergebnisse häufig nicht auf Lean Maßnahmen zurück geführt werden. Nicht zu selten liegt der Grund an der mangelnden Wirksamkeit der Lean Maßnahmen. Die (Schutz-)Behauptung, dass Lean gewirkt hätte, aber nicht ursächlich messbar sei, widerspricht der Lean Logik selbst. Die Frage in solchen Fällen lautet:
Warum haben die Lean Methoden die Erwartungen nicht erfüllt?
Lean Methoden tun einmal gar nichts
Die Ursache der fehlenden Effektivität liegt meist nicht an den Lean Methoden an sich. Sondern, die unzureichenden Resultate sind auf die mangelhafte Reaktion auf Abweichungen zurückzuführen. Denn die Lean Methoden sind als Werkzeuge zu nutzen, so wie ein Handwerker seine einsetzt. Das Planen, Denken und Tun bleibt dem Praktiker aber nicht erspart.
Was nützen all die schönen Lean Methoden – 5S, 5Why, SMED, PDCA, Yoka Poke, Heijunka, Pull, Takt, Kanban, Value Stream Mapping, Hoshin Kanri, etc., – wenn sie nicht als Werkzeug, sondern als Lösung gesehen werden? Ohne die Umsetzung geeigneter Maßnahmen werden daher die Methoden zu keiner Verbesserung führen. Und daran hapert es oft gewaltig.
8 Wege, um Lean Methoden falsch anzuwenden
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Lean Prinzipien zu verdrehen. Hier wird versucht einige der wichtigsten Ursachen für unzureichende Gegenmaßnahmen auf Abweichungen aufzulisten:
1. Der dynamische Standard
Abweichungen werden nicht (korrekt) erkannt, da der Standard fehlt. Jeder Mitarbeiter hat seine eigene Arbeitsmethode, eine Best Practice ist nicht dokumentiert. Daher ist völlig unklar, was genau ist hier die Abweichung?
Ohne Standard gibt es aber keine sinnvolle Verbesserung. So versucht jeder „sein Bestes“ und verfolgt seinen eigenen Standard nach dem Motto: „Wir lieben Standards. Jeder hat mehrere davon.“
2. Der Kundenwunsch stört den Arbeitsprozess
Der spezifizierte Kundenwunsch wurde aus den Augen verloren: es wird vor sich hin gearbeitet und produziert was geht. Der Bezug zu dem zahlenden Kunden ist schon lange vorher – im Vertrieb oder in der Auftragsabwicklung – vergessen worden.
Da der Zweck für die betroffenen Mitarbeiter unklar ist, werden Abweichung von bürokratischen oder willkürlichen Vorgaben des Vorgesetzten penibel, aber zweckfrei, verfolgt. Nur, was hat der Kunde davon?
3. Die Lean – „Wir-wissen-wie-Lean-geht“ – Experten (kein Bedarf an neuen Ideen)
Fehlendes Verständnis von Abweichungen als Informationsquelle für Verbesserungen führt zur mentalen Blockade. Durch die Lean Methoden wird den Mitarbeitern visualisiert und vermittelt, wo die Ursachen für Abweichungen liegen und welche Ansätze erfolgsversprechend sind. Mehr aber nicht: die entscheidenden Informationen fehlen ja gerade.
Dazu bedarf es einer konstruktiven Einstellung zu Abweichungen und neuen Ideen, ähnlich wie sie der Detektiv oder die Forscherin praktizieren. Sie entwickeln Indizien zu einer Theorie und testen deren Stichhaltigkeit durch empirische Überprüfung. In diesem Sinne sind Abweichungen und Probleme wie Geschenke, die aber noch verpackt sind.
4. Wir haben keine Probleme!
Abweichungen werden als Fehler gekennzeichnet. Niemand aber möchte als Verursacher von Fehlern gebrandmarkt werden. Zumindest werden wenige Mitarbeiter freiwillig nach vorne treten und auf Abweichungen = Probleme hinweisen, nur um dafür bestraft zu werden.
Hier fehlt eine Fehlerkultur, die Abweichungen als systematisch erkennt und wo auf Basis von gegenseitigem Vertrauen und der Befähigung der Mitarbeiter gemeinsam an den Verbesserungen arbeitet wird.
5. Jeder Fehler wird eliminiert!
Mangelnde Unterscheidung von Abweichungen nach Systemursachen und Spezialursachen. Der Qualitätsguru Dr. Deming (PDCA) hat geschätzt das 94% der Abweichungen auf zufällig verteilte Ursachen des Systems zurück zu führen sind. Daher sind Maßnahmen primär auf Verbesserungen des Wertschöpfungs-Systems zu richten.
Viel Verschwendung wird von Lean Protagonisten verursacht, die – frei von statistischem Verständnis – hinter jeder Abweichung eine spezielle Ursache vermuten, die es abzustellen gilt. So wird den zufälligen Ursachen hinterher gejagt, aber die Probleme verschieben sich nur.
Ein spannendes Beispiel dafür ist die Jagd nach der Serienmörderin, die sich als Mitarbeiterin des Herstellers für Wattestäbchen zur Spurensicherung herausgestellt hat, siehe Heilbronner Phantom.
6. Verwechslung von Akzeptanzgrenzen und Leistungsgrenzen
In der Messung der Leistungskennzahlen ist der Lean Praktiker täglich mit der Realität konfrontiert. Dabei muss er zwei voneinander unabhängige Kriterien berücksichtigen. Einerseits gibt es den Kundenwunsch, der als Akzeptanzlimits an ihn kommuniziert wird. Andererseits gibt es die reale Leistungsfähigkeit seines Prozesses – die Leistungsgrenzen.
Idealerweise kann die Leistung des Prozesses die gewünschten Anforderungen erfüllen. Aber, häufig ist dies überhaupt nicht der Fall. Viele Manager sind deshalb auch ungehalten, wenn der Betrieb die geforderte Leistung wieder nicht erfüllen kann. Die verstärkte Kommunikation z.B. durch höhere Dezibel ändert aber an der Prozessfähigkeit herzlich wenig.
7. Fundamentaler Kausalfehler des Management
In Ergänzung zum Weg 6 versteckt sich im fundamentalen Kausalfehler des Managements ein logischer Fehler. Viele Manager verwechseln hier ihre Anweisung zur Leistungssteigerung mit der Ursache der Leistungssteigerung.
Dieser Kausalfehler wird durch folgende Aussagen eines Managers symptomatisch sichtbar: „Ich habe ihnen schon wiederholt aufgetragen, dieses (Prozess-)Problem zu lösen. Das nächste Mal gibt es personale Konsequenzen.“ Tatsächlich werden die Mitarbeiter darauf reagieren, meist jedoch nicht kausal zu den erwünschten Resultaten – das hätten sie schon getan, wenn sie es gekonnt hätten, sondern diametral entgegengesetzt.
Die Ursachen für Verbesserungen liegen in fast allen Fällen in der methodischen Problemlösung des Prozesses selbst. Dies erfordert neben entsprechender Erfahrung und Methoden vor allem die Arbeit am Prozess. Dabei helfen Ermahungen, Drohungen und Versprechungen wenig.
8. Aktionismus
Oft ist beim Start von Lean die Begeisterung groß. Eine Vielzahl von Abweichungen werden als Verbesserungsanlässe herangezogen. Viel zu viele Maßnahmen werden in langen ToDo-Listen dokumentiert. Leider versagt dann in der Umsetzung dieser Maßnahmen das sogenannte Lean Production System auf der ganzen Linie.
Auch sind in der Eile viele der versuchten Maßnahmen wenig ausgegoren und vermissen Daten und Fakten, um Kausalitäten sinnvoll zu verstehen. Die Gegenmaßnahmen führen zu verwirrenden Ergebnissen und werden bald ad acta gelegt.
Weiters werden die langen Listen mit zuwenig Konsequenz und Disziplin verfolgt. Der Alltag ruft, neue Probleme aus anderen Bereichen werden höhere Priorität eingeräumt und die Lean Maßnahmen müssen warten.
Dieser Auflistung von beliebten Umwegen, um die zentrale Lean Aufgabe – die richtigen Probleme nachhaltig zu lösen um Wertschöpfung zu schaffen – könnten noch einige weitere hinzugefügt werden.
Wertvoller ist es, sich auf das Wesentliche zu besinnen: Versuchen Sie einige Lean Methoden und probieren Sie Neues aus, um selbst zu besseren Ergebnissen zu kommen!
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